03/2023 – Unser Positionspapier zu KAP-Änderungsanträgen

Zu den eingegangenen Änderungsanträgen bezüglich 22/1794-BV (Klima-Aktionsplan)

– Positionspapier des Klimaentscheid Jena –

Jena, 15.03.2023

Zum vorliegenden Klima-Aktionsplan (KAP) sind zahlreiche Änderungsanträge gestellt worden. Da einige davon massive Auswirkungen auf weite Bereiche des KAP hätten, beziehen wir als Initiator:innen hier Stellung.

Grundsätzlich muss gelten: Wenn im KAP Abschwächungen durch das Streichen von Maßnahmen oder gar Maßnahmenpaketen gefordert werden, muss das verlorengehende Treibhausgas-Einsparpotential im Gegenzug durch zusätzliche Maßnahmen oder Verschärfung bestehender Maßnahmen ausgeglichen werden. Der vorliegende KAP ist bereits ein Kompromiss, der Bereiche wie graue Emissionen sowie bestehende, klimaschädliche Bauplanungen nicht bilanziert. Dennoch können die Emissionen in den erfassten Bereichen selbst mit allen Maßnahmen des KAP bis 2035 lediglich auf ca. 100 000 Tonnen CO2/Jahr reduziert werden. Der Rest wird durch Kompensationen ausgeglichen werden müssen, um das festgelegte Ziel der Klimaneutralität in der Treibhausgas-Bilanz zu erreichen. Jede ersatzlose Streichung bringt uns demnach noch weiter von diesem Ziel weg und widerspricht dem Grundsatz, Emissionen zu vermeiden, statt sie kompensieren zu müssen. Jede verbleibende Tonne CO2 wird die städtische Kasse ab 2035 mit noch nicht zu beziffernden Kosten für Ausgleichsmaßnahmen erheblich belasten.

Ausdrücklich begrüßt werden die Änderungsanträge, die eine Neubewertung der Bauvorhaben unter dem 2021 gesteckten Klimaneutralitätsziel fordern. Damit wird eine bereits lange vom Klimaentscheid vertretene Position aufgegriffen, die sich folgerichtig aus der verschärften Klimaschutz-Zielsetzung ergibt. Das Ziel zu ändern, ohne auch die bereits bestehenden Pläne kritisch zu hinterfragen, wäre ein in sich inkonsistentes stadtplanerisches Vorgehen. Insbesondere das Straßenbauprojekt „Osttangente” muss hierbei vorbehaltlos bewertet werden, inklusive des erwartbaren induzierten Verkehrs, der auf die Verbreiterung der Fahrbahn folgt und mit den Reduktionszielen im motorisierten Individualverkehr in Konflikt steht. 

Zu den Verkehrsmaßnahmen

Bereits jetzt stellt der Verkehr den größten Posten der im Klimaneutralitäts-Szenario verbleibenden Restemissionen. Alle abschwächenden Maßnahmen im Mobilitätsbereich bedürfen daher einer besonderen Begründung, den die Änderungsanträge nicht zu liefern vermögen.

Im Antrag der CDU, der schlicht eine ersatzlose Streichung des zentralen Instruments „Parkraummanagement” (SM14) fordert, fehlt eine Begründung bislang gänzlich. Hier scheint die CDU-Fraktion nicht bereit zu sein, die in der betreffenden Maßnahme angestrebte Anpassung der Preise für innenstädtisches und Anwohnerparken so zu gestalten, dass die Nutzung des jeweils vergleichbaren ÖPNV-Angebotes günstiger ist. Einen Vorschlag, wie stattdessen die notwendige Lenkung weg vom motorisierten Individualverkehr (inklusive seines hochgradig ineffizienten Verhältnisses von realisierter Mobilität und einhergehendem Raumanspruch im Vergleich zu allen anderen Verkehrsarten) hin zum Umweltverbund erzielt werden kann, bleiben die Antragstellenden hier leider schuldig.

Die derzeitige Preisgestaltung, am Beispiel des Anwohnerparkens für lediglich 2,60€ im Monat, kann angesichts der immensen Instandhaltungskosten der Straßeninfrastruktur geradezu als aktive Förderung des Autobesitzes betrachtet werden. Alle für das Parken verpachteten Flächen werden für einen Preis weit unter den Instandhaltungskosten der gemeinsamen Nutzung der Gesellschaft für klimafreundlichere, raumeffizientere Verkehrsarten oder gänzlich anderen Nutzungen (Freizeit, Stadtgrün, Klima-Anpassungsmaßnahmen, etc.) entzogen – ein Anreiz, der also nicht nur aus Klimaschutzgründen in die falsche Richtung weist.

Wir sprechen uns bezüglich der Vielzahl an Änderungsanträgen im Mobilitätsbereich klar für eine Umgestaltung der Verkehrssteuerung, -planung und -preispolitik hin zur Förderung umweltfreundlicher Alternativen aus und betonen hierbei, dass allen Menschen, die aus sozialen oder gesundheitlichen Gründen (auch zeitweise) auf individuelle Mobilität angewiesen sind, diese unbedingt und selbstverständlich zu gewährleisten ist. Jedoch plädieren wir dabei für kreative und platzsparende Lösungen, wie bspw. innerstädtische Ruftaxis, und erteilen der Entwicklung, dass immer mehr private PKW den städtischen Raum versperren (längst ja auch für die Autonutzenden selbst), eine Absage, denn sie führt den städtischen Verkehr in eine Sackgasse. Allen Änderungsanträgen, die eine klimaschützende Verkehrswende verhindern sollen, stehen wir daher ablehnend gegenüber.

Zur Maßnahme BM13 („Superblock”)

Diese Maßnahme lediglich im Bereich Mobilität zu verorten, greift zu kurz. Hinter dem Konzept der Superblocks steht vielmehr eine umfassende Vision der alternativen Stadtgestaltung, die nicht länger allein im Stadtzentrum die Versorgungs-, Kultur- und Erholungsangebote konzentriert. Stattdessen werden in verschiedenen Teilen der Stadt verkehrsberuhigte Zonen eingerichtet, die Erholung, Begegnung, Kleingewerbe, Begrünung und weitere Nutzungen im Block möglich machen und nachbarschaftliche Beziehungen stärkt. Viele Wege würden infolge der sich entwickelnden dezentralen Stadtstruktur überflüssig, die Verkehrslast könnte somit insgesamt verringert werden.

Der Verweis auf die ungleichen Stadtstrukturen Jenas und Barcelonas, die Herr Taeger hier anführt, reicht unseres Erachtens nicht für eine Streichung der Maßnahme. Stattdessen plädieren wir für eine evaluative Adaptierung des Konzepts auf Jena bzw. dessen verschiedene Stadtteile, statt es zu verwerfen. Das im Änderungsantrag befürchtete Akzeptanzproblem ist in unserer Einschätzung nicht zu erwarten, wenn die Anwohnenden frühzeitig und umfassend über die sich vor Ort ergebende Steigerung der Lebensqualität informiert in die Planung einbezogen werden.

Zu den Kommunikationsmaßnahmen

Die Fraktion DIE LINKE hat einen weitreichenden Änderungsantrag gestellt, in dem sie sechs Maßnahmen im Bereich der Beratungs- und Kommunikationsmaßnahmen im Paket streichen will. Dies wird damit begründet, dass diese Maßnahmen nur wenig direkten Einfluss auf die Treibhausgas-Emissionen zeigen.

Wir teilen die Auffassung nicht, dass diese Maßnahmen gestrichen werden können. Insbesondere widersprechen wir entschieden der Begründung: Hier wird indirekte Wirkung mit Wirkungslosigkeit gleichgesetzt, was nicht haltbar ist. Die Hierarchisierung, die hier aufgemacht wird, indem indirekt wirkende Maßnahmen für überflüssig erklärt werden, können wir nicht nachvollziehen, denn Maßnahmen, die indirekt eine Emissionsreduktion erwirken, tragen ebenso zur Zielerreichung Emissionsreduktion bei wie direkt wirkende. Gerade weil der direkte Wirkungsbereich der Stadt begrenzt ist, wie allen kommunalpolitisch aktiven Menschen schmerzlich bewusst sein dürfte, ist unseres Erachtens eben jener Hebel über die indirekten Maßnahmen zentral, um eine möglichst breite Wirkung auf alle Felder, die zu Emissionen beitragen, zu erlangen.

Die zu streichenden Maßnahmen sind konkret und in ihrer Wirkung klar nachvollziehbar:

  • Kommunikationsstrategie (SM01): Identifikation mit dem Klimaziel setzt Informiertheit voraus. Bei der anstehenden Klimawende sind wir auf alle Jenaer:innen angewiesen, diese müssen demnach adressiert und eingebunden werden.
  • Informationszentrum (SM02): Ein offener Raum für den nötigen Austausch und umfassende Information, insb. über die durch die Maßnahmen möglich werdenden Förderungen.
  • Städtische Ausbildungs-/Qualifizierungsoffensive (BM07): Bei der klimaschützenden Umgestaltung durch Sanierungen oder Einbau von Wärmepumpen liegt der große Engpass bei den fehlenden Fachkräften. Im ÖPNV fehlen Fahrer:innen, sodass manche Verbindungen zum Teil nicht bedient werden können.
  • Gebäudesanierungskampagne (SM05)
  • Service-Center für Unternehmen (SM09)
  • Einrichtung einer Klimaschutz-Agentur (BM04)

Diese Maßnahmen zu streichen hieße, die Resonanzräume zwischen Stadt und Bewohner:innen, Stadt und Unternehmen sowie der Menschen untereinander nicht zu fördern bzw. überhaupt aufzubauen. Damit liefen wir Gefahr, dass der KAP das bleibt, was er bislang weitestgehend ist: Ein Papier, das die Mehrheit der Jenaer:innen kaum bis gar nicht kennt. Kommunikation, Information und Beratungsangebote sind unabdingbar, damit er stattdessen zum Leitfaden für die Umgestaltung der Stadt werden kann.

Zum Antrag, den Maßnahmenkatalog lediglich zur Kenntnis zu nehmen

Mit dem Änderungsantrag der LINKEN, die Maßnahmen des KAP lediglich als Vorschläge zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen, geht die Verbindlichkeit des Dokuments verloren. Neben dem großen zusätzlichen Aufwand für Stadtverwaltung und -politik ist durch diesen Antrag für die Umsetzung der Maßnahmen eine erhebliche Verzögerung zu erwarten, schlimmstenfalls wäre nachträglich ihre gänzliche Verhinderung möglich. Da es angesichts des sich rasch schließenden Zeitfensters unabdingbar ist, sofort mit der konsequenten Umsetzung aller nötigen Maßnahmen zu beginnen (wie auch die Autor:innen des KAP betonen), muss diese Relativierung der Gültigkeit des KAP als Gefahr für Jenas Klimaneutralität bis 2035 betrachtet werden. Hier ist zu betonen, dass insbesondere alle Maßnahmen, die einer umfangreichen Planung und Vorbereitung bedürfen, sofort nach Beschluss des KAP ausgelöst werden müssen, um keine weitere Zeit zu verlieren.

Zum Thema Bürger:innenräte (BM05)

Der KAP darf nicht als das Ende, sondern als Beginn eines langen Prozesses bis zur Klimaneutralität verstanden werden, in dem viele wichtige Entscheidungen in der letztlichen Gestaltung noch ausstehen. Bei einem Bürger:innenrat handelt es in diesem Zusammenhang sich aus Sicht des Klimaentscheids um eine der kraftvollsten Maßnahmen für Akzeptanz, Teilhabe und zur Findung mehrheitsfähiger, konkret umsetzbarer und zielführender Lösungen.

Bei den großen Auseinandersetzungen und Akzeptanzfragen, wie sie im Zuge die anstehenden Veränderungen kaum ausbleiben werden, liegt in einer gelosten, moderierten, konkret themen-/konfliktbezogenen und wissenschaftlich beratenen Zusammenkunft ein großes Potenzial. Die Menschen unserer Stadt mit der Vielfalt ihrer Perspektiven und Erfahrungen aktiv einzubinden, wird hier wichtige Impulse und Anstöße liefern und zugleich ein Signal der Demokratisierung senden. Die ersten Vorbilder auch in Deutschland lassen die Wirksamkeit von Bürger:innenräten schon erahnen, auch bezüglich Klimafragen. Die Streichung dieser Maßnahme mit Verweis auf bestehende Beteiligungsformate, wie von Frau Teufel (FDP) gefordert, unterschätzt unseres Erachtens ihr transformatives Potenzial und weist zudem in eine falsche Richtung, da es mehr statt weniger Beteiligung brauchen wird.

Zur Finanzierung

Abschließend sei auf alle Anträge hingewiesen, die die Finanzierung der Maßnahmen des KAP relativieren. Was bereits 2019 im Zuge der Klimanotstandsdebatte beschlossen wurde, muss nun auch ohne Abstriche für finanzielle Belange in der Folge des KAP gelten: „Der Klimakrise mit höchster Priorität begegnen.” Die Schaffung ausreichender Stellen in der Stadtverwaltung, um die Vielzahl an nun entstehender Aufgaben in der Umsetzung zu bewältigen, muss gewährleistet sein – nichts wäre fataler als ein visionärer, zielführender Plan, der wegen eines personellen Engpasses in der Stadtverwaltung oder fehlender Gelder nicht umgesetzt wird!