Alle demokratischen Stadtratsfraktionen versammeln sich hinter Klimaschutzpapier
Am Mittwoch, dem 19.04.2023 wurde der Klima-Aktionsplan im Jenaer Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossen. Der auf Initiative des Klimaentscheid Jena im vorletzten Jahr zustande gekommene Beschluss, dass Jena bis 2035 klimaneutral wird, ist damit endlich auch mit Maßnahmen untersetzt. Über 150 Jenaer:innen waren im Zuschauerraum gedrängt, um dem Stadtrat bei dieser wohl wichtigsten und umfassendsten Entscheidung für die Klimapolitik Jenas seine Verantwortung erneut vor Augen zu führen. Auf Transparenten wurde mit der Forderung nach Klimagerechtigkeit ausgedrückt, dass die Beschlüsse heute dringend nötig sind – und weit über unsere Zeit und unsere Stadt hinaus wirksam sind.
Wichtig ist aus Sicht der Initiator:innen des Klimaentscheids, dass sich keiner der Änderungsanträge, die lediglich eine ersatzlose Streichung von Maßnahmen forderten, durchsetzen konnte. „Das muss als Blaupause für künftige Entscheidungen gelten: Die Frage beim Klimaschutz kann nicht mehr ‚ob‘, sondern nur noch ‚wie‘ lauten! Wer einen vorgeschlagenen Weg ablehnt, muss einen anderen anbieten“, so Robert Pauli vom Klimaentscheid.
Demokratische Fraktionen stimmen zu
Als besonders erfreulich wird bewertet, dass nach den Differenzen der vergangenen Wochen letztlich doch alle demokratischen Fraktionen hinter dem Plan stehen und zustimmen konnten. Pauli dazu: „Klimaschutz ist eine Aufgabe, die alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt und nur von allen gemeinsam geleistet werden kann. Diese breitestmögliche Mehrheit im Stadtrat ist nun die beste Basis, damit die Maßnahmen nun rasch und effektiv in die Umsetzung kommen.“
Sebastian Supp vom Klimaentscheid kritisiert jedoch zugleich, dass aufgrund des Widerstandes der konservativen Fraktionen weitere Abschwächungen in das aus Klimasicht bereits kompromisshafte Papier hineinverhandelt wurden: „Insbesondere in der Maßnahme zum Parkraummanagement sind nicht nachvollziehbare Zugeständnisse gemacht worden. Konkrete Zielwerte wurden gestrichen, die Anhebung der Anwohnerparkgebühren soll nun nur noch geprüft werden. Der innovative Vorschlag, die Gebühren an den tatsächlichen Klimaschaden des jeweiligen Fahrzeugs zu knüpfen, ist ebenfalls raus. Zusätzliche Einnahmen können nun im schlimmsten Fall für den Bau neuer Parkplätze genutzt werden – absurd, das als Klimaschutz zu verkaufen.“
Grundsätzliche Punkte noch offen
Klarstellen wollen die Initiator:innen neben diesen Abschwächungen im Detail jedoch auch, dass das verabschiedete Papier, selbst bei vollständiger Umsetzung, nicht dem ursprünglichen Anspruch der Initiative – netto-null Treibhausgasemissionen für Jena – gerecht werden kann. Für eine vollständige Betrachtung der Klimabilanz bleiben folgende grundsätzliche Punkte offen:
- Die Überprüfung und ggf. Anpassung bestehender Bauplanungen inkl. Straßenbau auf deren Verträglichkeit mit dem Ziel Klimaneutralität 2035
- Die Einbeziehung der grauen Emissionen, die in Baustoffen oder Produkten stecken, die nicht in Jena produziert, aber hier genutzt werden
- Die weitere Absenkung der derzeit im „Klimaneutralitäts“-Szenario verbleibenden ca. 100 000 T CO2/Jahr Restemissionen auf einen deutlich niedrigeren Wert
Laut Rundem Tisch Klima & Umwelt werde aus diesen Gründen unterm Strich lediglich die Hälfte der von Jena verursachten Emissionen tatsächlich bilanziert. Janka Vogel vom Klimaentscheid schlussfolgert: „Wenn wir unseren Beitrag für das globale 1,5-Grad-Ziel noch erreichen wollen, dann müssen wir bis spätestens 2035 wirklich klimaneutral sein! Mit dem jetzt beschlossenen Klima-Aktionsplan wird für eine weitaus größere Temperaturerhöhung stattfinden, wenn das Jenaer Modell hochgerechnet wird. Das würde viele Katastrophen wie Hitzewellen – insbesondere in Städten –, Trockenheit und Waldbrände, aber auch Starkregen und Sturzfluten zur Folge haben.“
Wichtig war nun vordergründig – trotz der dabei eingegangenen Kompromisse – dass endlich ein umfassender Beschluss steht, der zudem in sich selbst ein Nachschärfungsinstrument trägt, sollten die Maßnahmen die nötige Wirkung verfehlen. Denn trotz fast vier Jahren seit Ausrufung des Klimanotstands in Jena ist noch keine der Maßnahmen umgesetzt worden. In Worten des UN-Generalsekretärs Guterres rasen wir noch immer „mit Vollgas in die Klimahölle“.
Jena als Vorreiterin des kommunalen Klimaschutzes
Bislang wurden lediglich Reden geschwungen und Pläne geschmiedet, für deren Umsetzung inzwischen weniger als zwölf Jahre bleiben. Der Auftakt ist gemacht, aber entgegen dem Eindruck aus den Verhandlungen zum KAP, in denen gezögert, gezaudert und gepokert wurde, braucht es mehr gemeinsame, mutige Entscheidungen. Alles für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zu tun, darf keine Frage der Parteizugehörigkeit sein. Klimaschutz ist kein grünes Thema, es ist ebenso konservativ wie es sozial und liberal ist. Wird dies verstanden, dann kann Jena seine Ziele erreichen und zur Vorreiterin des kommunalen Klimaschutzes und inspirierendem Beispiel für andere Kommunen werden.